Leitfaden
Lernsituationen gestalten
Überblick
Mit der Entwicklung einer Lernsituation wird ein projektförmiges, arbeitsprozessorientiertes und kompetenzförderndes Unterrichtsvorhaben vorbereitet. Aufgrund der Vielschichtigkeit einer Lernsituation kann es – wenn die Möglichkeit sich bietet – durchaus sinnvoll sein, ein solches Vorhaben in einem Lehrkräfte- bzw. Bildungsgangteam zu konzipieren.
Lernsituationen können einen recht unterschiedlichen Umfang haben. Die Spannweite reicht dabei erfahrungsgemäß von einem Unterrichtstag bis zu einer oder sogar mehreren Wochen. Mit dem in diesem E-Book vorgestellten Verfahren benötigt ein Lehrkräfteteam für die Entwicklung einer einfacheren Lernsituation (Umfang: ein Tag) etwa drei Stunden und für die Entwicklung einer komplexeren Lernsituation (Umfang: eine Woche) bis zu zehn Stunden. Dabei bietet es sich an, bereits existierende Lernsituationen oder Projekte zugrunde zu legen, bewährte Lernsequenzen oder Aufgabenelemente aus diesen aufzugreifen, anzupassen und weiterzuentwickeln.
Die Entwicklung einer Lernsituation erfolgt in sechs Teilschritten. Den Ausgangspunkt bildet die Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen. Dies sind das entsprechende Lernfeld, die mit diesem Lernfeld korrespondierenden Angaben im Ausbildungsrahmenplan und ggf. im Unterweisungsplan, einschlägige Arbeitsprozessanalysen, etablierte Fachbücher und berufskundliche Informationen. Alle Teilschritte werden weiter unten ausführlich dargestellt.
Vorbereitung: Zusammenstellen der Unterlagen
Einer Lernsituation liegen mehrere Ausgangsmaterialien zugrunde: Das Berufliche Handlungsfeld, zu dem die Lernsituation konzipiert werden soll, der entsprechende Abschnitt aus dem Ausbildungsrahmenplan, das entsprechende Lernfeld aus dem Rahmenlehrplan oder der Unterweisungsplan für den entsprechenden überbetrieblichen Lehrgang, Fachliteratur, die in der Ausbildung hauptsächlich eingesetzt wird, und berufskundliche Informationen. Darüber hinaus ist es sehr hilfreich, wenn auch auf die Dokumentation einschlägiger Arbeitsprozessanalysen zurückgegriffen werden kann.
Teilschritt 1: Analyse der Voraussetzungen und Rahmenbedingungen
Im Rahmen einer Bedingungsanalyse werden die Voraussetzungen (d. h. die Kompetenzen und Erfahrungen) bei den Auszubildenden und Ausbildungs- bzw. Lehrkräften sowie die zur Verfügung stehenden Ressourcen geprüft.
Bevor mit der Planung einer Lernsituation begonnen werden kann, ist es in einem ersten Teilschritt zunächst erforderlich, eine so genannte „Bedingungsanalyse“ durchzuführen. Ziel ist es, sich über wesentliche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für die spätere Umsetzung der Lernsituation klar zu werden. So ist z. B. zu überlegen, über welche Erfahrungen die Schülerinnen und Schüler in Bezug auf das betroffene Lernfeld bereits verfügen, um an diese anknüpfen zu können, oder aber welche Ausstattung überhaupt zur Verfügung steht oder noch beschafft werden müsste, damit die Lernsituation auch praktisch realisiert werden kann. Werden Rahmenbedingungen und Voraussetzungen nicht angemessen bedacht, droht die Gefahr, dass die Lernsituation – zumindest in Teilen – scheitert.
Eine Bedingungsanalyse bezieht sich auf zwei grundsätzliche Bereiche:
Teilschritt 2: Beschreiben der Eckpunte der Lernsituation
In Teilschritt 2 geht es zum einen darum, sich für ein Szenario der Lernsituation zu entscheiden, und zum anderen die Umsetzung der Lernsituation zu beschreiben. Zunächst wird die Leitidee für die Lernsituation in ein Szenario überführt. Das Szenario bildet den zentralen Bezugspunkt für die detaillierte Entwicklung der Lernsituation und ist zudem die Grundlage für die Aufgabenstellung an die Schülerinnen und Schüler.
Die Ergebnisse werden auf dem Deckblatt der Dokumentationsvorlage in den Punkten „Szenario der Lernsituation“ und „Umsetzung der Lernsituation (inkl. Ergebnis)“ festgehalten.
Es hat sich bewährt, die Lernsituation in Anlehnung an das erwartete Ergebnis, also das zu fertigende Produkt oder die zu erbringenden Dienstleitung, zu betiteln. So kann sich die Bezeichnung aus der/den zentralen Arbeitshandlung(en), den zentralen Arbeitsgegenständen und ggf. aus einer Spezifikation zusammensetzen, zum Beispiel:
- Umstellung der Beleuchtungsanlage in einem Altbau auf LED-Leuchten.
- Demontage, Reparatur und Montage einer Lichtmaschine in einem VW-Golf.
- Analysieren und Beheben von Funktionsstörungen an einer mechatronischen Anlage der Verpackungsindustrie.
In Ergänzung der Aufgabenbezeichnung kann – sofern diese noch nicht aussagekräftig genug ist – ausführlicher beschrieben werden, was das zentrale Ergebnis der Aufgabe sein soll.
In Bezug auf die oben beispielhaft aufgeführten Titel kann erläutert werden,
- welche Räume genau in diesem Altbau mit welchen konkreten neuen Lichtmitteln auszustatten sind und wie die Räume bislang beleuchtet werden,
- welchen Fehler der Kunde an seinem Fahrzeug beschreibt und dass es auch um die Abwägung zwischen Reparatur der vorhandenen und Austausch einer neuen Lichtmaschine geht,
- welche Funktionsstörung genau der Anlagenbediener gemeldet hat, an welcher konkreten Anlage oder an welchem Bauteil er auftaucht usw.
Auf dieser Basis wird dann auch deutlich, zu welchem übergeordneten Ergebnis die Lernsituation führen soll: Die Räume sind angemessen beleuchtet, das Fahrzeug ist wieder fahrtüchtig oder die Anlage funktioniert wieder fehlerfrei.
Hier wird dargelegt, woher der Impuls für den Auftrag stammt. Auslöser können die Anfrage von einem Stammkunden, eine Reaktion eines Neukunden auf ein Inserat, ein typischer innerbetrieblicher Auftrag des Vorgesetzten oder einer anderen Abteilung, die Beteiligung an einer öffentlichen Ausschreibung o. ä. sein.
Um zu verstehen, in welches Umfeld die Lernsituation eingebettet ist, benötigen die Schülerinnen und Schüler Hinweise zur Art des Betriebs, als dessen Mitglied sie den Auftrag bearbeiten. Handelt es sich z. B. um einen „klassischen“ meistergeführten Handwerksbetrieb, sind die Schülerinnen und Schüler Teammitglied einer Instandhaltungsabteilung, arbeiten sie in der Produktion eines Industrieunternehmens usw.
Hinsichtlich des Auftraggebers sollte knapp zusammengefasst werden, um welchen Typus es sich handelt (preis-leistungsbewusst, sicherheitsbewusst, umweltbewusst, qualitätsbewusst usw., innerbetrieblicher Auftraggeber, vor- oder nachgelagerte Abteilung).
An dieser Stelle wird erläutert, welche Räume und welche Ausstattung für die Umsetzung der Lernsituation zur Verfügung stehen, ggf. auch in Verbindung mit Hinweisen zu den Zeiträumen, wann diese Ressourcen genutzt werden können.
Hier ist darzustellen, welche Zeit für die Lernsituation zur Verfügung steht und ggf. auch, welcher Kostenrahmen einzuhalten ist.
Das Szenario wird zunächst am besten einfach als Fließtext formuliert. Diese Informationen können in das dafür entsprechend vorgesehene Textfeld der Dokumentationsvorlage „Lernsituation – Deckblatt“ eingefügt werden.
Im Anschluss an die Formulierung werden weitere grundlegende didaktische Entscheidungen getroffen. Ziel ist es, ein Bild von der unterrichtlichen Umsetzung der Lernsituation zu erhalten:
Schwerpunktphasen
- Welche Phasen und Lernsequenzen sollen von den Lernenden aktiv, welche Phasen und Lernsequenzen lediglich informierend durchlaufen werden?
- Bei welcher/welchen Phase/n und Lernsequenzen liegt der Schwerpunkt der Lernsituation?
Rollenverteilung
- Wie ist die grundsätzliche Arbeits- und Rollenverteilung gedacht (Lehrende-Lernende, Lernende untereinander)?
- Sollen Arbeitsgruppen gebildet werden, wird dann arbeitsteilig vorgegangen oder stellt sich allen Gruppen dieselbe Aufgabe?
- Wann arbeiten die Schülerinnen und Schüler individuell, wann kooperativ?
Teilschritt 3: Festlegen der Handlungsschritte, Kompetenzen und Inhalte
Teilschritt 3 stellt eine der größten Herausforderungen bei der Entwicklung einer Lernsituation dar. Er beinhaltet die Einzelentscheidungen
- Festlegen der Handlungsschritte,
- Festlegen der zu fördernden Kompetenzen und
- Festlegen der Inhalte.
Die genannte Reihenfolge soll dabei allerdings keine fest vorgegebene Abfolge suggerieren. Die Entscheidungen für die Handlungsschritte, Kompetenzen und Inhalte greifen vielmehr ineinander und beeinflussen sich gegenseitig. Deshalb ist es empfehlenswert, diese Festlegungen eng miteinander verzahnt zu treffen.
Für die Dokumentation der in Teilschritt 3 zu treffenden Entscheidungen steht für jede Phase der Lernsituation in der Dokumentationsmappe eine eigene, jeweils identisch aufgebaute Vorlage zur Verfügung:
- Dokumentationsvorlage „Phase: Annehmen & Informieren“
- Dokumentationsvorlage „Phase: Planen & Entscheiden“
- Dokumentationsvorlage „Phase: Ausführen“
- Dokumentationsvorlage „Phase: Kontrollieren & Bewerten“
Diese Dokumentationsvorlagen weisen die festzulegenden Elemente „Ablauf/Handlungsschritte“, „Kompetenzen“ und „Inhalte“ aus.
Festlegen der Handlungsschritte
In die Zeile „Ablauf“ können die Handlungsschritte eingetragen werden, die in der Lernsituation von den Schülerinnen und Schülern durchlaufen werden sollen: Der „Projektablauf“ wird festgelegt. Die Zeile „Kompetenzen“ weist aus, welche Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler im Zuge der Bearbeitung erwerben sollen. In der Zeile „Inhalte“ werden schließlich die Inhalte aufgeführt, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler im Zuge der Lernsituation auseinandersetzen werden.
Festlegen der zu fördernden Kompetenzen
Um im Rahmen einer Lernsituation einen bestimmten Handlungsschritt erfolgreich vollziehen zu können, benötigen die Schülerinnen und Schüler entsprechende Kompetenzen. Übergeordnetes Ziel der Lernsituation ist es daher also, die berufliche Handlungskompetenz der Schülerinnen und Schüler dahingehend zu fördern, dass sie die Aufgabe erfüllen und zum erwarteten Ergebnis kommen.
Dieses allgemein formulierte übergeordnete Ziel der Berufsausbildung wird mithilfe von so genannten Kompetenzmodellen weiter aufgeschlüsselt, sodass es „greifbarer“ wird und sich besser umsetzen lässt. Die in einem Lernfeld zu fördernde berufliche Handlungskompetenz kann dementsprechend z. B. in Form einer Matrix als Kompetenzprofil dargestellt werden. Zu jeder der Phasen „Annehmen und Informieren“, „Planen und Entscheiden“, „Ausführen“ sowie „Kontrollieren und Bewerten“ wird aufgeschlüsselt, welche Fach-, Methoden-, Sozial- und Personalkompetenz erforderlich ist, um Aufgaben, Aufträge, Probleme und Herausforderungen, die sich im jeweiligen Lernfeld stellen können, erfolgreich zu bewältigen.
Dementsprechend stellen sich die folgenden Leitfragen, wenn es darum geht, die in einer Lernsituation zu fördernden Kompetenzen festzulegen:
Anhand dieser Leitfragen können die Angaben im Lernfeld systematisch ausgewertet und unter Verwendung des Kompetenzmodells und der Phasen einer Lernsituation verortet werden. Allerdings ist in einer Lernfeldbeschreibung nicht expliziert, welche Kompetenzen für welche Handlungsschritte im Detail notwendig sind. Diese Überlegungen bleiben Teil der Lernfeldinterpretation durch die Lehrkräfte. Allein der dem Lernfeld vorangestellte erste Absatz enthält als Interpretationshilfe eine generalisierte Beschreibung der Kernkompetenz, die am Ende des Lernprozesses des Lernfelds bei den Schülerinnen und Schülern entwickelt worden sein soll.
Bei der Festlegung der im Lernfeld zu fördernden Kompetenzen kann sich durchaus das Phänomen zeigen, dass nicht zu allen Kompetenzbereichen oder allen Phasen Kompetenzen ausgewiesen sind. Die Angaben im Lernfeld sind so offen gehalten, dass eine weitergehende Interpretation oder auch Erweiterung erfolgen können oder – im Sinne der Vollständigkeit – sogar sollten. Mit dem in Rahmenlehrplänen obligatorisch zu findenden Hinweis darauf, dass die „in den Lernfeldern formulierten Kompetenzen […] den Mindestumfang darstellen“ ist dies durchaus gewünscht bzw. gefordert.
Insbesondere im Bereich der Sozial- und Personalkompetenz finden sich in den Lernfeldbeschreibungen selbst oft nur wenige Formulierungen. Hier hilft ein Blick in den Teil II „Bildungsauftrag der Berufsschule“ eines Rahmenlehrplans. Dort heißt es:
„Damit werden die Schüler und Schülerinnen zur Erfüllung der Aufgaben im Beruf sowie zur nachhaltigen Mitgestaltung der Arbeitswelt und der Gesellschaft in sozialer, ökonomischer, ökologischer und individueller Verantwortung, insbesondere vor dem Hintergrund sich wandelnder Anforderungen, befähigt. Das schließt die Förderung der Kompetenzen der jungen Menschen
- zur persönlichen und strukturellen Reflexion,
- zum verantwortungsbewussten und eigenverantwortlichen Umgang mit zukunftsorientierten Technologien, digital vernetzten Medien sowie Daten- und Informationssystemen,
- in berufs- und fachsprachlichen Situationen adäquat zu handeln,
- zum lebensbegleitenden Lernen sowie zur beruflichen und individuellen Flexibilität zur Bewältigung der sich wandelnden Anforderungen in der Arbeitswelt und Gesellschaft,
- zur beruflichen Mobilität in Europa und einer globalisierten Welt
ein.“
Es ist also zu überlegen, an welchen Stellen einer Lernsituation die im Rahmenlehrplan sehr allgemein und übergreifend formulierten Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern konkret entwickelt werden können.
Bei der Ausweisung eines Kompetenzprofils für ein Lernfeld kann noch eine weitere Referenz helfen. Aus der Analyse von Beispielen guter Praxis konnte neben dem „idealtypischen Ablauf“ einer Lernsituation (#QV) auch ein grundsätzlich formuliertes, „idealtypisches Kompetenzprofil“ abgeleitet werden: Auf einer verallgemeinernden Ebene ließen sich immer wieder gleiche bzw. vergleichbare Formulierungen zur Beschreibung beruflicher Handlungskompetenz finden.
Idealtypisches Kompetenzprofil gewerblich-technischer Aufträge
In Bezug auf die Angaben in den Lernfeldern, den Bildungsauftrag der Berufsschule und das idealtypische Kompetenzprofil können nun in der Lernsituation zu fördernden Kompetenzen reflektiert und ausgewiesen werden. Dies geschieht, indem in die festgelegten Kompetenzen in die gleichnamigen Textfelder der entsprechenden Dokumentationsvorlagen „Phase: Annehmen & Informieren“, „Phase: Planen & Entscheiden“, „Phase: Ausführen“ oder „Phase: Kontrollieren & Bewerten“ eingetragen werden:
- Welche der aufgeführten Kompetenzen werden bei der Bewältigung der Lernsituation benötigt?
Passende bzw. geeignete Kompetenzformulierungen werden übernommen! - Sind die zu fördernden Kompetenzen für die Lernsituation präzise/detailliert genug formuliert?
Bei Bedarf werden die Kompetenzformulierungen überarbeitet und ggf. durch weitere Formulierungen zusätzlich aufgeschlüsselt! - Werden weitere Kompetenzen bei der Bewältigung der Lernsituation benötigt?
Wenn ja, werden entsprechende Kompetenzformulierungen hinzugefügt! - Sind die aufgeführten Kompetenzen sprachlich richtig, d. h. einschlägig für den Beruf, formuliert?
Sollten Formulierungen zu berufsunspezifisch sein, werden sie dem beruflichen Jargon angepasst.
Hinweis: In die Entscheidung für die zu fördernden Kompetenz fließen natürlich die Ergebnisse der Bedingungsanalyse, insbesondere hinsichtlich des bei den Auszubildenden bereits vorauszusetzenden Wissens und Könnens, unmittelbar ein.
Festlegen der Inhalte
Nach der Festlegung der Handlungsschritte und der Reflexion über die in der Lernsituation zu fördernden Kompetenzen stellt sich als dritte Entscheidung die Frage, mit welchen konkreten Inhalten die vorgesehenen Ziele eingelöst werden sollen. Lernfelder benennen keine spezifischen Technologien, sondern sind „technikoffen“ formuliert. Welche genaue technische Variante sich z. B. hinter einer Anlage, einem System, einer Maschine, einer Pumpe oder einem Getriebe verbirgt, ist für die Lernsituation also erst noch zu präzisieren. Vergleichbares gilt für Werkzeuge, Dokumentationen, Vorschriften usw. Auch hier finden sich offene Formulierungen, die einer Spezifizierung bedürfen.
Lernfeld 10 des Industriemechanikers (explizit ausgewiesene Inhalte)
Lernfeld 4 des Elektronikers (integrativ, kursiv ausgewiesene Mindestinhalte)
Grundsätzlich sind inhaltliche Entscheidungen in vier übergeordneten Bereichen zu treffen:
Arbeitsgegenstände
Mit welchen Arbeitsgegenständen (Produkte, Anlagen, Systeme, Maschinen, Geräte, Komponenten, Bauteile, Teilsysteme) werden die Schülerinnen und Schüler bei der Lernsituation konfrontiert?
Werkzeuge und Hilfsmittel
Welche Werkzeuge (Grundwerkzeuge, Handwerkzeuge, Bearbeitungswerkzeuge, Behältnisse, Mess- und Prüfgeräte) und Hilfsmittel (Material, PC/Software, technische Unterlagen, Dokumentationen) benötigen die Schülerinnen und Schüler bei der Bewältigung der Lernsituation?
Rechtliche Vorgaben
Welche Gesetze, Verordnungen, Normen, Vorschriften (technisch/fachlich, kaufmännisch, ökologisch, Arbeitsschutz) sind bei der Bewältigung der Lernsituation zu beachten?
Grundlagen
Welche technischen, mathematischen, naturwissenschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Grundlagen werden für die Bewältigung der Lernsituation gebraucht?
Bei der Festlegung der Inhalte wird die Bedeutung der Bedingungsanalyse am augenscheinlichsten. Die Entscheidung z. B. für eine bestimmte Technologie, eine bestimmte Anlage, ein bestimmtes Gerät, ein bestimmtes Material oder ein bestimmtes Werkzeug hängt unmittelbar von der zur Verfügung stehenden Ausstattung ab. Ebenso müssen bei diesen Überlegungen das Vorwissen und die Vorerfahrungen der Schülerinnen und Schüler sowie die Möglichkeiten, die die Unterrichts- und Fachräume, die Labore und die Werkstätten bieten, berücksichtigt werden und in die Planungen einfließen.
Eine wichtige Bedeutung besitzen in diesem Zusammenhang auch fachsystematisch strukturierte Inhalte. An dieser Stelle empfiehlt es sich, einschlägige Fachbücher hinzuzuziehen und diese nach Inhalten auszuwerten, die für das Lernfeld relevant sind. Eine solche Fachbuchanalyse unterstützt die zu treffenden inhaltlichen Entscheidungen sehr.
Bei der Ausweisung der Inhalte der Lernsituation stellen sich grundsätzlich folgende Fragen:
- Welche für das Lernfeld relevanten Inhalte können bei den Schülerinnen und Schülern bereits vorausgesetzt bzw. brauchen nur kurz wiederholt zu werden?
- Welche für das Lernfeld relevanten Inhalte sollen mit der Lernsituation neu behandelt werden?
- Welche für das Lernfeld relevanten Inhalte sollen mit der Lernsituation vertieft bzw. weitergeführt werden?
- Welche für das Lernfeld relevanten Inhalte sollen in anderen Lernsituationen abgedeckt werden, damit insgesamt eine fachliche Vollständigkeit im Lernfeld entsteht?
Die für die Lernsituation ausgewählten Inhalte werden in die Rubrik „Inhalte“ – differenziert nach Arbeitsgegenständen, Werkzeugen und Hilfsmitteln, rechtlichen Vorgaben und Grundlagen – der vier Dokumentationsvorlagen „Phase: Annehmen & Informieren“, „Phase: Planen & Entscheiden“, „Phase: Ausführen“ und „Phase: Kontrollieren & Bewerten“ eingetragen. Ggf. lassen sich diese Inhalte zusätzlich mit Hinweisen wie „neu“, „wiederholen“ oder „vertiefen“ versehen.
Damit sind die Dokumentationsvorlagen zu den einzelnen Phasen der Lernsituation vollständig bearbeitet. In ihrer Gesamtschau geben sie einen leicht zu erfassenden Überblick über die Lernsituation.
Hinweis zu den Festlegungen
Die Festlegung der Handlungsschritte, Ziele und Inhalte stellt eine wirkliche „Kunst“ einer Lehrkraft dar. Gilt es doch, eine Balance zwischen den zu planenden Elementen der Lernsituation und den erforderlichen Freiheiten für die Schülerinnen und Schüler zu finden. Eine Lernsituation muss nicht nach einem vorgegebenen Muster oder nach Anweisung abgearbeitet werden. Vielmehr sollen die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit erhalten, auch selber Lösungen zu recherchieren und zu diskutieren, sich begründet für eine Alternative zu entscheiden, auch einmal Fehler zu machen und aus diesen zu lernen usw.
Deshalb gilt: Immer nur so viele Festlegungen treffen, wie unbedingt nötig sind, und den Schülerinnen und Schülern bei der Lernsituation so viele Optionen lassen, wie es möglich und sinnvoll ist.
Teilschritt 4: Erstellen auftragsspezifischer Lernsequenzen
Nachdem die notwendigen Festlegungen und Entscheidungen getroffen worden sind, ist es im folgenden Teilschritt erforderlich, die Lernsituation weiter zu strukturieren und die einzelnen Lernsequenzen zu bestimmen, die sich den Schülerinnen und Schülern stellen
sollen. Grundsätzlich geht es darum, die in den vier Arbeitsblättern „Phase“ ausgewiesenen Handlungsschritte, Ziele und Inhalte jeweils zu passenden „Bündeln“ zusammenzuführen. Jedes dieser Bündel steht für eine Lernsequenz, die dann noch weiter ausgearbeitet wer-
den kann.
Bei einfacheren Lernsituationen ist es durchaus denkbar, dass eine Phase, z. B. das An- nehmen & Informieren über einen Auftrag, direkt für eine Lernsequenz steht. Bei kom- plexeren Lernsituationen, bei denen für jede Phase viele Handlungsschritte, Ziele und Inhalte ausgewiesen sind, ist es dagegen sinnvoll, innerhalb der Phasen weitergehende Aufgabenunterteilungen vorzusehen.
Die Bestimmung einer Lernsequenz, die in der Dokumentationsvorlage „Lernsequenz“ dokumentiert wird, erfolgt unter der Leitfrage:
In welchen Handlungsschritten sollen welche Ziele mit welchen Inhalten eingelöst werden?
In die Kopfzeile des Arbeitsblatts wird der Titel der Lernsequenz eingetragen. Die Titel der Lernsequenz können auch in den unteren Teil des Arbeitsblatts „Deckblatt“ zu der entsprechenden Projektphase übernommen werden. Auf diese Weise entsteht auf diesem Arbeitsblatt sukzessive ein direkter Überblick über die Struktur und den Gesamtzusammenhang der Lernsituation.
Der obere Teil des Arbeitsblatts „Lernsequenz“ dient dazu, unter der Rubrik „Beschreibung“ den geplanten Handlungsablauf, wie er sichüber die ausgewählten Handlungsschritte bereits überblicksartig ergibt, ausführlicher darzustellen. Daran anknüpfend werden die angestrebten Ergebnisse der Lernsequenz in der Form „Nach Bearbeitung dieser Lernsequenz liegen vor: …“ aufgeführt. Dies können z. B.
- in der Phase „Annehmen & Informieren“ eine Auflistung der Kundenanforderungen oder ein ausgearbeitetes Angebot,
- in der Phase „Planen und Entscheiden“ eine durchgeführte Berechnung oder eine angefertigte Zeichnung sein,
- in der Phase „Ausführen“ ein montiertes System oder das Messprotokoll einer Inbetriebnahme und
- in der Phase „Kontrollieren und Bewerten“ ein ausgefülltes Übergabeprotokoll oder eine fertiggestellte Rechnung sein.
Beim „Zusammenhang zu anderen Lernsequenzen“ können zum einen Hinweise zu den Voraussetzungen der Lernsequenz gegeben werden. So müssen aus vorausgegangenen Lernsequenzen z. B. bereits bestimmte Hilfsmittel wie Dokumentationen, Zeichnungen oder Berechnungen vorliegen, die genutzt werden sollen. Zum anderen lässt sich knapp darlegen, wie die in der Lernsequenz erbrachten Ergebnisse in folgenden Lernsequenzen weiterverwendet und fortentwickelt werden können.
Die Ziele der Lernsequenz können dann in der gleichnamigen Zeile kompetenzorientiert formuliert und ggf. weitergehend erläutert werden. Es hat sich bewährt, diese Erläuterungen mit „Die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, …“ einzuleiten.
Auch die in der Lernsequenz aufzugreifenden Inhalte, mit denen diese Kompetenzen gefördert werden sollen, lassen sich bei Bedarf in der entsprechenden Rubrik noch weiter aufschlüsseln. Hier kann es ggf. auch reichen, auf die relevanten Kapitel in einem fachsystematisch strukturierten Fachbuch zu verweisen.
Als nächstes stellt sich die Frage nach dem Aufgabentypus. Es können grundsätzlich zwei Arten von Lernsequenzen unterschieden werden:
Mit den bisherigen Festlegungen sind bereits zentrale didaktische Entscheidungen getroffen. Es fehlen allerdings noch zwei weitere Bereiche didaktischer Überlegungen: die hinsichtlich der Medien und die hinsichtlich der Methoden.
Medien und Methoden
Mit den bisherigen Festlegungen sind bereits zentrale didaktische Entscheidungen getroffen. Es fehlen allerdings noch zwei weitere Bereiche didaktischer Überlegungen: die hinsichtlich der Medien und die hinsichtlich der Methoden.
Zum Abschluss von Teilschritt 4 sollte man sich demensprechend also zum einen mit der benötigten Ausstattung und mit den einzusetzenden Medien auseinandersetzen:
- Welche Räume (Unterrichtsraum, Fachraum, Labor, Werkstatt) werden für die Bearbeitung der Lernsequenz benötigt?
- Welche Arbeitsgegenstände (Produkte, Anlagen, Systeme, Maschinen, Geräte, Komponenten, Bauteile, Teilsysteme) kommen bei der Bearbeitung der Lernsequenz zum Einsatz?
- Welche Werkzeuge (Grundwerkzeuge, Handwerkzeuge, Bearbeitungswerkzeuge, Behältnisse, Mess- und Prüfgeräte) und Hilfsmittel (Material, PC/Software, technische Unterlagen, Dokumentationen) benötigen die Schülerinnen und Schüler bei der Bewältigung der Lernsequenz?
- Welche Medien (PC, Tablets, Smartphones, Laptops, Beamer, Overheadprojektor) sollen in der Lernsequenz eingesetzt werden?
- Welche Lernmaterialien (Arbeitsblätter, Aufgabenzettel, Handouts, Dokumentationsvorlagen, Internet-Links usw.) werden für die Lösung der Lernsequenz benötigt?
Zum anderen können auch methodische Vorüberlegungen getroffen werden. Diese betreffen in erster Linie die für die Lernsequenz infrage kommenden Klein- und Großmethoden. Im Detail werden diese in einem eigenen Lernbaustein der Kompetenzwerkstatt vorgestellt und in ihrer Umsetzung ausführlich beschrieben, sodass es an dieser Stelle reicht, auf die entsprechenden Methoden zu verweisen.
Der Typus der Lernsequenz hat insbesondere auch Konsequenzen hinsichtlich der Methode, mit der diese umgesetzt werden kann.
Für die Angaben bezüglich der Ausstattung, Lernmaterialien und Methoden stehen im unteren Teil des Arbeitsblatts „Lernsequenz“ entsprechende Zeilen zur Verfügung.
Teilschritt 5: Erstellen obligatorischer Lernsequenzen
Neben den in Teilschritt 4 entwickelten Lernsequenzen, die sich spezifisch auf den der Lernsituation zugrundeliegenden Auftrag beziehen, sind auch obligatorische Lernsequenzen vorzusehen. Diese Lernsequenzen stehen jeweils für eine besondere didaktische Funktion: So sind der „Einstieg“ in die Lernsituation zu gestalten, der Verlauf der Lernsituation kontinuierlich zu flankieren und abschließend eine Bilanzierung der Lernsituation vorzunehmen.
Teilschritt 6: Erstellen eines Zeit- und Arbeitsplans
Stehen die Lernsequenzen fest, ist abschließend zu überlegen, zu welchem Zeitpunkt und in welchem zeitlichen Umfang diese im Rahmen der Lernsituation umgesetzt werden sollen. Es geht also darum, eine zeitliche Gliederung und Gewichtung vorzunehmen.
In der Bedingungsanalyse wurde bereits festgehalten, welcher Zeitrahmen für die Lernsituation insgesamt zur Verfügung steht und wie die Aufgabe organisiert werden soll. Diese Zeit kann nun verteilt werden. Dazu wird die Schwerpunktsetzung der Lernsituation hinsichtlich der Lernphasen bestimmt:
- Wieviel der insgesamt zur Verfügung stehenden Zeit soll für die Phase „Annehmen & Informieren“, für die Phase „Planen und Entscheiden“, für die Phase „Ausführen“ und für die Phase „Kontrollieren und Bewerten“ verwendet werden?
Natürlich lässt sich diese Entscheidung nicht beliebig treffen, sondern sie hat die Ergebnisse der Bedingungsanalyse und die bereits getroffenen Ziel- und Inhaltsfestlegungen zu berücksichtigen. Für die zeitliche Gewichtung ist also eine Balance zu finden zwischen
- den organisatorischen Rahmenbedingungen (Verfügbarkeit von Räumen und Ausstattung),
- den personellen Optionen (Verfügbarkeit und Expertise der Schülerinnen und Schüler und der Lehrkräfte) sowie
- den geplanten Handlungsschritten, Zielen und Inhalten.
Die Einschätzung kann am leichtesten in Prozent vorgenommen werden. Das Ergebnis kann dann auf dem Vorlage „Deckblatt“ vermerkt werden.
Die Ergebnisse der Bedingungsanalyse, die Gesamtübersicht der Lernsituation, die Gewichtung der Phasen und die einzelnen Lernsequenz können nun zu einem Zeit- und Arbeitsplan zusammengeführt werden.
Es hat sich bewährt, diesen Plan als klassischen schulischen Stundenplan anzulegen, in dem tageweise die einzelnen Stundenblöcke aufgeführt sind. In diese Blöcke lassen sich der Titel der betreffenden Lernsequenz und der Raum eingetragen. Darüber hinaus können bei Bedarf zusätzliche Hinweise, z. B. auf den Schwerpunkt innerhalb der Lernsequenz, auf die verantwortliche Lehrkraft, auf besondere Ausstattung usw. aufgenommen werden.
Mit der Übertragung der Lernsequenzen in einen „Zeit- und Arbeitsplan“ wird die Entwicklung der Lernsituation abgerundet. Dabei wird es allerdings nur im Idealfall gelingen, dass sich alle Planungselemente sofort zu einem schlüssigen, widerspruchsfreien Gesamtplan der Lernsituation zusammenfügen. Die Kunst besteht darin, die verschiedenen Eckpunkte, die sich aus den gegebenen Rahmenbedingungen und getroffenen Festlegungen ergeben, miteinander zu vereinbaren. Dabei kann es erfahrungsgemäß auch noch einmal dazu kommen, dass Modifikationen in den zuvor getroffenen Planungen erforderlich werden.
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Erstellt am 29. August 2023 um 19:32 Uhr. Zuletzt geändert am 29. September 2023 um 11:18 Uhr.